Bannerbild | zur StartseiteBannerbild | zur StartseiteBannerbild | zur Startseite

Veranstaltungen

Link zur Seite versenden   Ansicht zum Drucken öffnen
 

Selbstfürsorge für Referendar:innen

Juliane Paetow

 

Einführung in den Arbeitsbereich

Strukturell betrachtet stellt das Referendariat innerhalb der Lehramtsausbildung die zweite, die sogenannte Berufseinstiegsphase, dar. Sie dauert meist 18 Monate und ist durch eine sprunghaft zunehmende Komplexität der Anforderungen und Eigenverantwortung gekennzeichnet. Bei vielen Auszubildenden kommt es in dieser Phase zu hohem psychosozialen Stress und emotionaler Erschöpfung. So können Ausbildungsspezifische Faktoren wie Zeit, Beratungs- und Beurteilungsprozesse, Rollenfindung oder Unterricht schnell zu individuellen Belastungen wie Zeitdruck, Beurteilungsdruck, Beziehungsunsicherheit oder Orientierungs- und Identitätskrisen führen. Zudem sind Arbeitszeit, Arbeitskraft und Arbeitseinsatz keine festen Größen und in einer gefühlten eineinhalbjährigen „Prüfsituation“ besonders anfällig für Überlastungen. Diese äußern sich beispielsweise in Form von Regulationsschwierigkeiten zwischen Nähe (Engagement) und Distanz (Erholung), Anpassung und Kontrolle oder im Bereich des Selbstwertgefühls.
 

Um gesundheitsschädigenden Folgen und Stresserkrankungen im Lehrer:innenberuf vorzubeugen braucht es präventive Maßnahmen. Dabei sollten insbesondere die Stärkung der emotionalen Stabilität, psychischen Widerstandskraft sowie Regulationsfähigkeiten – im Sinne überfachlicher Kompetenzen bzw. personaler Ressourcen – im Fokus der Angebote stehen. Diesbezüglich ist die Förderung der inneren und äußeren Resonanz- und Beziehungsfähigkeit immer mitzudenken. Musik kann hier - als ganzheitliches und erlebensnahes Medium - einen wertvollen Beitrag leisten. Sie kann den Kontakt zum Selbsterleben fördern und bei den angehenden Lehrer:innen einen selbstfürsorglichen und eigenverantwortlichen Umgang mit den Herausforderungen anregen.

 

Angebotsstrukturen

Die Abteilung Ausbildung des Hamburger Lehrerinstituts – kurz LiA – bietet neben fachspezifischen Seminaren auch Module an, in denen Referendar:innen ihre psychosozialen Kompetenzen im bewertungsfreien Raum erweitern können. Ein Seminar dauert in der Regel vier Stunden. Es kann innerhalb einer großen Modulauswahl von den angehenden Lehrkräften einmalig ausgewählt werden.

 

Die musiktherapeutisch ausgerichteten Module sind in diesem Ausbildungszweig angesiedelt und sollen einen Beitrag zur Erhaltung der psychischen Gesundheit angehender Lehrer:innen leisten. Die Modulinhalte beziehen die Unterstützungsbereiche Achtsamkeit, Selbstwertgefühl, Selbstreflexive Wahrnehmung, Ressourcenaktivierung, Identitätsentwicklung/Rollenfindung, Entspannung und Emotionsregulation ein. Jedoch hat jedes Modul einen eigenen thematischen Schwerpunkt und bewegt sich in einem spezifischen überfachlichen Handlungsfeld.

 

Beispiel:

Modul „Ins Spielen kommen. Mit musikalisch-kreativen Methoden Beziehungsbrücken erkennen und qualitativ steigern“ im Handlungsfeld „Beziehungen gestalten“ und das Modul „Safe and Sound. Gesund und munter durch das Referendariat“ im Handlungsfeld „Selbstmanagement“ an. Beide Angebote fanden und finden bisher Corona-bedingt online statt.

 

Modulbeispiel

Im Folgenden stelle ich das Modul „Safe and Sound. Gesund und munter durch das Referendariat“ etwas genauer vor.

 

Im Kern geht es um das Einnehmen einer achtsamen Haltung und einer positiven Selbstzuwendung. Dieses soll den Weg dafür ebnen, innere Spannungen und Bedürfnisse aufzuspüren, sowie vorhandene Ressourcen zu (re)aktivieren. Auf diese Weise können mitunter Kontroll-, selbsterhöhende- und lustvolle Erfahrungen gemacht werden, welche zur Steigerung emotionalen Wohlbefindens beitragen.

 

Die konkreten Ziele des Moduls sind:

  • den Kopf frei bekommen und Distanz zum äußeren Druck gewinnen

  • sich aus dem Grübeln und Gedankenkreisen lösen

  • Stärkung der (Selbst)Wahrnehmung, Selbstzuwendung

  • Haltungen, Bedürfnisse und Ressourcen aufspüren

  • Stärkung des Selbstvertrauens und der Selbststeuerung

  • Selbstklärung

  • kreativ-musikalischer Ausdruck von Befindlichkeiten

  • Fördern des positiven Selbsterlebens und Momenten von Ruhe, Entspannung und Lebenslust

 

Musik wird diesbezüglich als wahrnehmungserweiterndes, halt- und energiegebendes, lustbringendes und als verbindendes Medium genutzt. Damit können Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten angeregt werden.

 

Methodisch bietet das Modul mitunter folgende Inhalte:

  • Selbstklärung und Regulation: Erkundung des Stressbefindens über den Atem, musikalische Atem- und Summübungen (damit deutliche Bewusstseinsverankerung)

  • Selbstbestimmung, Selbstwertgefühl, Realitäts- und Identitätsgefühl: Übung „eigener Rhythmus“, Erleben von Pausen, Schritte im eigenen Tempo machen

  • Entspannung, Distanzierung zum äußeren Druck: Imagination und Musikhören

  • Selbstwirksamkeit, Optimismus, Ressourcenaktivierung, Regulation: Methode Songwriting und anschließendes Singen (Für Regulation ist Gestaltungskraft der Musik bedeutsam - online geht es z. B. über das Verändern des Liedtextes)

An die Angebote schließen sich häufig Anschlussfragen an, die einzeln oder in der Gruppe beantwortet bzw. in den Austausch gebracht werden. Weiterhin soll das (Online)-Setting eine Art „Save Place“ schaffen – indem die Kamera in Selbsterfahrungsübungen ausgeschaltet oder bei Summ- und Gesangsangeboten der Ton abgeschaltet werden kann. Gleichzeitig wird die Gruppe aber auch als eine einflussreiche Kraftquelle für das Selbstwertgefühl genutzt. So gibt es beispielsweise den kreativ gemeinschaftlichen Prozess des Songwritings mit anschließendem Gesang des neu Entstandenen.

 

Feedback der TeilnehmerInnen

  • me time“, Auszeit
  • angenehmes kreatives Format; mal aufstehen, mal hinlegen , kleine Pause
  • nicht langwierig, Musikkhören am besten
  • Kamera aus und „loslassen“
  • fühl mich geerdet
  • schöner Schluss (Singen), Lied megacool
  • beim Vorsingen leicht emotional, schön etwas vorgesungen zu bekommen,
  • keine Erwartungen und offen
  • entzerrt, nicht das Gefühl nicht mehr zu können, 4 Stunden vergingen schneller als gedacht
  • anders als andere Seminare, was neues
  • Wunsch: mehr direkter Bezug zu Stresssituationen im Ref, Transfer

 

Literatur

  • Reddemann, L. (2004). Imagination als heilsame Kraft. Zur Behandlung von Traumafolgen mit ressourcenorientierten Verfahren. Pfeiffer bei Clett Cotta. Stuttgart
  • Röcker, A. E. (2010). Klang als Weg zur Achtsamkeit. Übungen zur Entfaltung des eigenen Potenzials mit Musik. Südwest Verlag, München

Kontakt

 

Arbeitskreis "Musiktherapie in pädagogischen Settings"


mail