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Rahmenbeschreibung Musiktherapie in pädagogischen Settings

Karin Holzwarth und Anne-Katrin Jordan
 

Theoretischer Rahmen

Musiktherapie in pädagogischen Settings wie Frühförderstellen, Kindertagesstätten, Schulen und Musikschulen zu integrieren gewinnt immer mehr an Bedeutung. Zum einen durch den zunehmenden Unterstützungs- und Förderbedarf von Kindern und Jugendlichen, zum anderen durch zahlreiche Entwicklungen im deutschen Schulsystem wie etwa der Ausbau der Ganztagsschulen. Ein weiterer Meilenstein für die Entwicklung von Musiktherapie in pädagogischen Settings bildet das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009, in der die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ein Leitgedanke darstellt.

 

In anderen Ländern wie Norwegen, Großbritannien oder Italien ist die Musiktherapie in Schulen, Kindergärten und Inklusionszentren bereits seit Jahrzehnten etabliert. Auch hierzulande verfügt die Musiktherapie in heilpädagogischen Schulen über eine weit zurückreichende Geschichte, meist in Form eines Förderangebots. Der Fokus der Musiktherapie seit den 1960er Jahren in Deutschland lag aber auf der Verankerung des Berufes im Gesundheitswesen (Quelle). Im klinischen Kontext wurde das Profil des Berufes kontinuierlich geschärft und kritisch überprüft. Musiktherapeutische Methoden und Techniken wurden in den zurückliegenden 60 Jahren intensiv beforscht und für die Belange der variierenden Fachgebiete und Zielgruppen systematisch spezifiziert (Quellen). In den letzten 20 Jahren konnte diese Professionalisierung der Musiktherapie auch fundiert im pädagogischen Handlungsfeld Einzug halten (Quellen: Qualitätsstandards aus Spektrum Musiktherapie und Link DMtG, VdM).

 

Die Gründe für den Einsatz von Musiktherapie mit Kindern und Jugendlichen unmittelbar in der Schule und anderen pädagogischen Einrichtungen liegen auf der Hand:


Musiktherapie in pädagogischen Settings ist aufsuchend und niederschwellig. Sie bietet den Kindern und Jugendlichen Hilfe an dem Ort, den sie ohnehin aufsuchen, in ihrer Lebenswelt Schule/ Kindergarten/ Musikschule. Auf diese Weise unterstützt Musiktherapie Schulen, Kindergärten und Musikschulen effektiv und differenziert darin, ihrem Auftrag und damit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, Barrieren zur Umsetzung von Inklusion abzubauen sowie Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention zu leisten (vgl. Reiner-Wormit & Holzwarth, 2020)

 

Diagnostischer Blick

Akademisch ausgebildete Musiktherapeut:innen haben durch ihre klinische Ausbildung ein grundlegendes entwicklungspsychologisches und psychopathologisches Wissen, um Entwicklungskonflikte und Lernblockaden bei Kindern und Jugendlichen zu erfassen und diesen im (musik-)schulischen Alltag niederschwellig und gezielt zu begegnen. Musiktherapie in Kindergärten, Schulen und Musikschulen ermöglicht so einen direkt verfügbaren, individuell differenzierten Entwicklungsraum für Kinder und Jugendliche in Entwicklungskrisen und kann Kinder und Jugendliche effektiv auffangen bevor sich schwerwiegende Störungen entwickeln (Reiner-Wormit & Holzwarth, 2020). Tüpker schrieb bereits 2006: „Musiktherapie in der Schule kann Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit des Ausdrucks und der Bearbeitung von Krisen anbieten [und] eine Zuspitzung verhindern helfen.“ (S. 223).

 

Grenzen, Potential

In Deutschland sind bis heute viele Kinder mit dem Risiko ungleicher Chancen für Bildung konfrontiert: Kinder mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung, in Armutslagen, aus Familien mit Migrationshintergrund, mit muslimischen oder jüdischen Glaubensanschauungen, aus Roma-Familien, mit Fluchterfahrung und Kinder von alleinerziehenden Eltern (vgl. Sulzer, 2013, S.15ff.). Es ist wichtig dies zu benennen und sich vor Augen zu führen, denn es beinhaltet die stete Herausforderung, dieser Benachteiligung als Institution aktiv entgegenzuwirken und entsprechende Unterstützungs- und Förderangebote an die Hand zu geben.

 

Die Grenzen einer Musiktherapie in pädagogischen Settings sind kritisch zu reflektieren: Sollte ein Kind engmaschige Unterstützung benötigen – beispielsweise aufgrund von Selbst- oder Fremdgefährdung – die im schulischen Kontext nicht gewährleistet werden kann, ist eine Überweisung in ein stationäres Setting unbedingt erforderlich. Auch erfordert das pädagogische Setting eine besonders aufmerksame Reflexion der eigenen Rolle als Musiktherapeutin, um Rollenvermischungen (Pädagogin-Therapeutin) vorzubeugen.

 

Zielgruppe: Kinder und Jugendliche

Musiktherapie hilft und unterstützt Kinder und Jugendliche in belastenden Lebenssituationen oder mit besonderem Förderbedarf. Musiktherapie nutzt Musik als Ausdruck, um etwas zu zeigen, was mit Sprache oft (noch) nicht gesagt werden kann. In der Musiktherapie hat das Kind einen geschützten Ort. Im Rahmen der therapeutischen Beziehung lernt es sich stetig besser kennen und erprobt neue Verhaltensweisen.

 

Musiktherapie kann unterstützen bei:

  • körperlichen, seelischen oder familiären Schwierigkeiten (zum Beispiel Trennung oder Krankheit)

  • emotionalen oder sozialen Verhaltensauffälligkeiten

  • Entwicklungsverzögerungen

  • Lern- oder Wahrnehmungsstörungen (zum Beispiel ADHS oder Autismus-Spektrum-Störung)

  • psychischen Problemen aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung

  • psychosomatischen Beschwerden (zum Beispiel aufgrund schulischen Drucks)

(vgl. WebseiteStaatliche Jugendmusikschule Hamburg)

 

Arbeitsbereiche in pädagogischen Settings

 

Verwendete und weiterführende Literatur

  • Holzwarth, K. (2020). Musiktherapie in pädagogischen Institutionen. In H.-H. Decker-Voigt & E. Weymann (Hrsg.), Lexikon Musiktherapie: Unter Mitarbeit von Monika Nöcker-Ribaupierre und Eric Pfeifer (3. Aufl.) (S. 405–410). Göttingen: Hogrefe.
  • Jordan, A.-K., Pfeifer, E., Stegemann, T. & Lutz Hochreutener, S. (Hrsg.). (2018). Musiktherapie in pädagogischen Settings. Impulse aus Praxis, Theorie und Forschung. Münster: Waxmann.
  • Jordan, A.-K. (2021). Musiktherapie in pädagogischen Settings. In: T. Stegemann & E. Fitzthum (Hrsg.). (2021). Kurzlehrbuch Musiktherapie Teil II. Wiener Ringvorlesung Musiktherapie – Grundlagen und Anwendungsfelder (Wiener Beiträge zur Musiktherapie, Bd. 13). Wien: Praesens.
  • Reiner-Wormit, C. & Holzwarth, K. (2020). In Verband deutscher Musikschulen (Hrsg.). Spektrum Inklusion. VdM: Bonn.
  • Sulzer, A. (2013). Inklusion als Werterahmen für Bildungsgerechtigkeit, in: Petra Wagner (Hrsg.). Handbuch Inklusion – Grundlagen vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung. Freiburg: Herder, S. 12-20.
  • Verband deutscher Musikschulen (Hrsg.). (2020). Spektrum Musiktherapie: Grundlagen und Arbeitshilfen. Bonn: Verband deutscher Musikschulen.

Kontakt

 

Arbeitskreis "Musiktherapie in pädagogischen Settings"


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